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Bremer Hochschulen „Für einen Stadtstaat bemerkenswert“

In dieser Woche tagt der Wissenschaftsrat in Bremen. Thomas May, Generalsekretär des überregionalen Beratungsgremiums, zieht Bilanz, wie sich Bremens Hochschulen entwickelt haben.
12.07.2017, 19:52 Uhr
Lesedauer: 5 Min
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„Für einen Stadtstaat bemerkenswert“
Von Sara Sundermann

2012 hat der Wissenschaftsrat Bremens Hochschulen auf Wunsch der Landesregierung untersucht und ein Gutachten erstellt. Sie waren daran beteiligt – was war damals Ihr Eindruck von Bremen?

Thomas May: Mein Eindruck war, dass es hier ein beachtlich differenziertes Hochschulsystem gibt. Es gibt in Bremen in der Summe ein sehr funktionstüchtiges und leistungsstarkes Hochschulsystem mit einer beachtlichen Ausbildungsleistung. Hier werden nicht nur Fachkräfte für die Stadt Bremen, sondern auch für die Region ausgebildet. Vor dem Hintergrund, dass Bremen ein finanzschwaches Land ist, ist das eindrucksvoll. Und die Bremer Uni wird in der Exzellenzinitiative als Spitzenstandort in allen drei Förderlinien gefördert, das muss man erst einmal hinkriegen, an diesem Ziel sind andere Unis gescheitert.

Nach der Untersuchung hat der Wissenschaftsrat Empfehlungen ausgesprochen. Was war das Wichtigste, was Sie Bremen mit auf den Weg gegeben haben?

Wir haben damals deutlich gemacht: Wenn das Land bei seinen Hochschulen einen Erfolg erzielen möchte, dann muss das Wissenschaftssystem finanziell konsolidiert werden, das heißt, die Mittel für die Hochschulen müssen aufgestockt werden.

Nun hat Bremen kürzlich – vier Jahre später – dem Wissenschaftsrat Bericht erstattet, was aus den Empfehlungen geworden ist. Hat Bremen schon einiges umgesetzt, oder ist noch viel zu tun?

Im Grunde hat Bremen den Großteil der Empfehlungen in einer sehr respektablen Weise abgearbeitet. Es sind eher kleinere Ziele, die noch offen sind. Das Land hat den Haushalt für seine Hochschulen um 15 Millionen Euro aufgestockt, von 223 Millionen Euro im Jahr 2013 auf zuletzt 238 Millionen. Hinzu kamen weitere sieben Millionen aus frei werdenden Bafög-Mitteln, die in die Hochschulen geflossen sind. Das ist für einen Stadtstaat bemerkenswert. Man muss das in Bremen immer vor dem Hintergrund der schwierigen finanziellen Rahmenbedingungen sehen. Außerdem hat das Land einen Wissenschaftsplan 2020 verabschiedet. Auch die Hochschulen haben sich da nicht verweigert, sondern diesen Prozess als Chance begriffen, ihr Angebot noch attraktiver zu machen.

Wie sieht es beim Studienangebot aus? Der Wissenschaftsrat hatte damals dazu geraten, in Bremen durchaus bei manchen Fächern etwas zu flöhen und die Zahl der Studiengänge zu reduzieren.

Wir haben empfohlen, das Angebot an Studiengängen zu konsolidieren. Wir hatten den Eindruck, dass vor allem im Bachelor-Bereich ein sehr kleinteiliges, ausdifferenziertes Angebot entstanden ist. Zum Beispiel gab es im Land Bremen gleich drei Studiengänge zum Thema Schiffbau und Meerestechnik. Da können Bremen und Bremerhaven enger kooperieren, um Doppelangebote zu vermeiden.

Und hat sich da etwas getan? Das Fach Psychologie an der Uni, das Bremen einstampfen wollte, blieb schließlich nach großem Protest erhalten und wurde statt dessen neu aufgestellt, an der Hochschule wurden dagegen mehrere Studiengänge eingestellt.

Es ist beachtlich, dass die Uni sich mit ihrem gesamten Studienangebot einer kritischen externen Analyse unterzogen hat, einer sogenannten Systemakkreditierung. Außerdem wurde eine Kooperationsvereinbarung zwischen Hochschule und Uni zur Promotion auf den Weg gebracht, die nun kurz vor dem Abschluss steht. Wer an einer Fachhochschule studiert, ist zwar zur Promotion berechtigt, aber die Fachhochschulen besitzen kein Promotionsrecht. Wenn die Promotionsvereinbarung zwischen Hochschule und Uni steht, können zum Beispiel Studierende aus den Ingenieurwissenschaften der Hochschule an der Uni promovieren. Das ist eine sinnvolle Zusammenarbeit.

Sie betonen insgesamt, wie wichtig Kooperationen zwischen den Hochschulen, aber auch zwischen Hochschulen und externen Forschungseinrichtungen für ein kleines Land wie Bremen sind. Was wird durch Zusammenarbeit in Bremen konkret möglich?

Räumliche Nähe und kurze Wege sind natürlich immer förderlich. Was Kooperationen bringen, merkt man vor allem, wenn man die Infrastruktur gemeinsam nutzen kann, also zum Beispiel ein teures Mikroskop oder ein Lasergerät sowohl vom Max-Planck-Institut als auch von der Uni genutzt werden kann. Es gibt auch gemeinsame Professuren, bei denen sich zum Beispiel das Alfred-Wegener-Institut und die Uni die Kosten für eine Stelle teilen können. Die Uni gewinnt dadurch herausragende Forscherpersönlichkeiten und wird auch ein bisschen bei der Lehre entlastet.

Das klingt, als blickten Sie recht hoffnungsvoll auf Bremen.

Ich blicke immer hoffnungsvoll auf Bremen, weil diese Stadt hinreißend ist. Und tatsächlich haben Wissenschaftssenatorin, Staatsrat und die Hochschulen in den vergangenen Jahren bemerkenswerte Anstrengungen unternommen.

Sind Sie rundum zufrieden mit Bremen, oder gibt es etwas, was man dringend tun sollte?

Im Lichte unserer Empfehlungen gibt es derzeit keine substanziellen Baustellen mehr. Das finde ich beachtlich. Einige Empfehlungen des Wissenschaftsrats hat Bremen zwar nicht umgesetzt, aber mit diesen Empfehlungen hat man sich intensiv auseinandergesetzt und ist zu anderen Schlüssen gelangt. Zum Teil hat Bremen da auch Entscheidungen getroffen, die aus heutiger Sicht angesichts veränderter Bedingungen sinnvoll sind. Zum Beispiel hatte der Wissenschaftsrat damals empfohlen, die Lehramtsausbildung zu reduzieren. Bremen hat sich aber dafür entschieden, die Ausbildungskapazität für Lehrer beizubehalten. Angesichts der starken Zuwanderung ist das berechtigt. Dass die Schülerzahlen so stark wachsen würden, war zur Zeit unseres Gutachtens noch gar nicht absehbar.

Wo sehen Sie noch Verbesserungsbedarf?

Wichtig wäre noch, dass Bremen ermöglicht, dass die Hochschulen selbst ihre Professoren berufen. Bislang ernennt in Bremen das Land die Professoren. Andere Bundesländer haben die Berufung direkt an die Unis verlegt, und das ist auch sinnvoll. Die Hochschulen sind viel dichter dran, und außerdem wird das Berufungsverfahren noch langwieriger, wenn daran auch noch das Land beteiligt ist. Schnelle Verfahren sind aber oft wichtig, wenn man im Wettbewerb mit anderen Städten kluge Köpfe an die eigene Hochschule holen will.

Das Gespräch führte Sara Sundermann.

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Wissenschaftsrat tagt in Bremen
Der Wissenschaftsrat gilt als das wichtigste Beratungsgremium für Hochschulpolitik in Deutschland. Seit Mittwoch und noch bis Freitag kommt der Wissenschaftsrat in Bremen im Haus der Bürgerschaft zusammen. Dort treffen sich Vertreter aus Wissenschaft, Politik und Verwaltung. Das Gremium tagt viermal pro Jahr immer in verschiedenen Städten. Dem Wissenschaftsrat gehören einerseits Professoren aus ganz Deutschland und andererseits Vertreter von Bund und Ländern an, also zum Beispiel Staatssekretäre der Bundesregierung und Wissenschaftsminister der Länder. Thema bei dem Treffen in Bremen soll unter anderem sein, welche Chancen regionale Kooperationen für die Wissenschaft bieten. Als ein Beispiel für die Kooperation von Universitäten und externen Forschungseinrichtungen wird die „U Bremen Research Alliance“ genannt. Außerdem will sich der Wissenschaftsrat mit den sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung beschäftigen. Diese Zentren sollen zu einem besseren Umgang mit Volkskrankheiten wie Diabetes und Demenz führen.
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